Frau Caritas geht über den Hof der ehemaligen Pionierkaserne. Eine Windelbox gefüllt mit Babybekleidung fest unterm Arm, steuert sie auf einen der dort aufgestellten Wohncontainer zu. Frau Caritas schaut auf ihren Zettel: "C03" - sie muss den Gang fast bis ganz hinten durch gehen, um zum Zimmer der schwangeren Frau zu kommen. Sie klopft an, doch nichts rührt sich. Drei weitere Containerbewohnerinnen sind aufmerksam geworden. Auch sie klopfen an die Tür von C03 und rufen nach der Zimmerbewohnerin. Nach einer ganzen Weile öffnet die Schwangere endlich die Tür. Als ihr Blick auf die Windelbox fällt, huscht ein Lächeln über ihr müdes Gesicht: "Thank you very much!", sagt sie und nimmt das Paket entgegen. Ob sie auch einen Kinderwagen bekommen könne, fragt sie. Eine der anderen Containerbewohnerinnen, ebenfalls schwanger, fragt nach einer Baby-Erstausstattung. Hier wissen sie: Wenn einer helfen kann, dann ist das Frau Caritas.
Sandra Heinl hat sich an diesen Namen inzwischen gewöhnt. Seit Februar arbeiten sie und ihre Kollegin Irina Klyuk als Asylsozialberaterinnen der Caritas in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Regensburger Zeißstraße. "Oft nennen uns die Leute hier einfach Frau Caritas oder reden uns beim Vornamen an", sagt Irina Klyuk. Die beiden Frauen haben im obersten Stock des Hauptgebäudes ihre Räumlichkeiten. Vor ihren Büros haben sie einen kleinen Wartebereich eingerichtet; mit einem Spielteppich, ein paar Kuscheltieren und Spielsachen. So wirkt das Provisorium etwas einladender: "Hier wollen wir so etwas wie Normalität vermitteln, die Menschen sollen sich zumindest hier willkommen fühlen", sagt Sandra Heinl. Normalität - das ist etwas, das viele der rund 300 Menschen, die hier bis zu drei Monate lang untergebracht sind, schmerzlich vermissen. Dort, wo sie herkommen, aus Syrien, dem Irak, Iran oder aus der Ukraine, herrschen kriegerische Auseinandersetzungen.
"Asylsozialberatung bietet Orientierung im Neuland"
Durchschnittlich sechs bis acht Personen kommen jeden Vormittag in die Caritas-Asylsozialberatung. Manchmal kommen auch außerhalb der Sprechzeiten, am Nachmittag, Klienten vorbei. Sandra Heinl und Irina Klyuk nehmen sich die Zeit. Zeit für die komplizierten asylrechtlichen Fragen, Zeit für Aufklärungsarbeit zu Dingen wie Residenzpflicht, Familienzusammenführung oder Abschiebeverbot, Zeit für die vielen Briefe, die die Flüchtlinge nicht verstehen und für die ganz existenziellen Probleme: Vielen Menschen hier mangelt es an Kleidung, schwangere Frauen brauchen Betreuung durch eine Hebamme, und gehbehinderte Flüchtlinge brauchen einen Rollstuhl. Die beiden Caritas-Beraterinnen sind glücklich, dass die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und dem medizinischen Fachpersonal der Erstaufnahmeeinrichtung so reibungslos funktioniert.
"Menschen, die vor Krieg und Vertreibung nach Deutschland fliehen, brauchen unsere Unterstützung", sagt Diözesan-Caritasdirektor Dr.Roland Batz. "Wenn man sieht, aus welchen Berufen, Qualifikationen und aus welchem sozialen Umfeld sie kommen, wie sie alles zurücklassen mussten und nun vor dem Nichts stehen, neu anfangen müssen, dann wird sehr schnell klar, dass man nicht anders kann, als diesen Menschen beizustehen. Wir würden uns das selber auch wünschen", so Batz weiter. Die Asylsozialberatung wirke nachweislich integrierend und baue auch Brücken zur Bevölkerung vor Ort.
Sowohl in Regensburg als auch in der ebenfalls neu geschaffenen Erstaufnahmeeinrichtung Deggendorf hat die Caritas jeweils zwei Fachkräfte für die Asylsozialberatung eingestellt. In Regensburg kümmern sich weitere drei Caritas-Mitarbeiterinnen um die Betreuung der Kinder. Jährlich wenden Kirche und ihre Caritas im Bistum Regensburg mehr als 300 000 Euro an Eigenmitteln auf, um an der Seite der Flüchtlinge zu helfen. Das entspricht etwa einem Drittel der Gesamtkosten für die Beratung. "Ohne die Caritas wären wir hier ganz schön aufgeschmissen", stellte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs bereits bei der Eröffnung der Einrichtung im vergangenen Dezember fest.
Ehrenamtliche unterstützen die Arbeit der Caritas
Aufgeschmissen wäre man hier aber auch ohne die Hilfe der zahlreichen Ehrenamtlichen: Studenten der Initiative CAMPUSAsyl helfen in der Kleiderkammer, kommen mit Sport- und Musikangeboten zu den Flüchtlingen oder erteilen Deutschunterricht für Erwachsene. Für den Sprachunterricht der Kinder kommt eine Lehrkraft der Regierung der Oberpfalz in die Erstaufnahmeeinrichtung. Sandra Heinl und Irina Klyuk koordinieren viele der Aktionen mit den ehrenamtlichen Helfern. "Das klappt sehr gut", sagt Sandra Heinl. Wenn dann unten im Hof Araber sich an einem "Schuhplattler" versuchen, quittiert es die Sozialpädagogin mit einem fröhlichen Augenzwinkern.
Ohnehin sind es die kleinen Erfolge, die sie und ihre Kollegin in ihrer täglichen Arbeit bestätigen: Wenn es durch das fachliche Knowhow und die große Erfahrung des gesamten Caritas-Hilfe-Netzwerks gelingt, bei den amtlichen Stellen eine Abschiebung vorerst zu stoppen, beispielsweise weil ein kleiner Junge zunächst noch in Deutschland operiert werden soll. Oder wenn zum Beispiel schwangeren Frauen geholfen werden kann: Für fünf kleine Mädchen hat Sandra Heinl schon die Erstausstattung zusammengestellt. Die Windelbox für die Frau aus dem Containerzimmer C03 hat einen blauen Aufkleber - sie wird in den nächsten Tagen den ersten Jungen der Regensburger Erstaufnahmeeinrichtung zur Welt bringen. Während der Mutterschutzfrist gilt ein Abschiebeverbot. Was nach den acht Wochen nach der Geburt geschieht? Die Frau weiß es nicht. Aber jedes Mal, wenn sie ihren kleinen Jungen in den Strampelanzügen und Bodys aus der Windelbox sehen wird, wird sie an Frau Caritas denken - und daran, dass sie ihr geholfen hat.
Zusatzstück 1: "Flüchtlingshilfe von Kirche und Caritas im Bistum Regensburg"
Derzeit sind insgesamt 28 Fachkräfte in den Caritas-Beratungsstellen in der Asylsozialberatung tätig, davon jeweils zwei in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Regensburg und Deggendorf.
In der Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg leben derzeit rund 380 Menschen. Nach Angaben der Regierungen Oberpfalz und Niederbayerns sind in den Gemeinschaftsunterkünften und weiteren Unterkünften in der Diözese aktuell etwa 8000 Menschen untergebracht.
Für das Jahr 2015 rechnet das Bayerische Sozialministerium mit insgesamt bis zu 60 000 Asylbewerbern.
Die Richtlinien des Bayerisches Sozialministeriums sehen eine Betreuungsquote von 150 Flüchtlingen pro Fachkraft vor. In der Diözese Regensburg kommen derzeit jedoch auf eine Vollzeit-Fachkraft der Caritas bis zu 450 Flüchtlinge.
Zusatzstück 2: Spenden Sie Zusammenhalt!
Die Caritas Regensburg hat einen "Flüchtlingsfonds" eingerichtet. Jede Spende verbessert die Situation von Flüchtlingen bei uns. Unser Spendenkonto: LIGA Bank Regensburg, IBAN DE94 7509 0300 0000 0007 60, BIC GENODEF1M05; Stichwort Flüchtlingshilfe. Früher: Konto 760, BLZ 750 903 00.
Auch Sachspenden helfen: Für die Kleiderkammer in der Erstaufnahmeeinrichtung werden dringend v.a. Männerbekleidung, Kinderwägen und Fußbälle benötigt. Immer dienstags von 14.00 bis 15.30 Uhr können diese Sachspenden direkt in der Einrichtung, Zeißstraße 1, abgegeben werden. Außerhalb dieser Zeiten können Sie mit Irina Klyuk oder Sandra Heinl einen Annahmetermin vereinbaren, unter Tel. 0941/5680-492.
Zusatzstück 3:
Weitere Informationen zum Thema gibt es im Internet im Themenschwerpunkt "Flucht & Asyl" auf www.caritas-regensburg.de.