Einen Monat lang, eingerahmt vom Welttag zur Beseitigung der Armut der Vereinten Nationen und dem Päpstlichen Welttag der Armen, soll ein zentrales Problem unserer Zeit beleuchtet werden: Armut als gesellschaftliche Herausforderung. In Deutschland ist die Zahl der überschuldeten Haushalte auf einem konstant hohen Niveau.
Im Jahr 2019 galt in Deutschland jeder Sechste als arm. Das heißt, dass diese Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. Damit können sie ihre Grundbedürfnisse nicht mehr erfüllen und genießen kaum gesellschaftliche Teilhabe – zudem werden sie nicht selten ausgegrenzt und ihre Probleme meist tabuisiert.
"Mit den Armutswochen wollen wir auf dieses soziale Problem unmittelbar vor unserer Haustür aufmerksam machen und dafür sensibilisieren. Gleichzeitig möchten wir auf das breite Hilfsangebot der Caritas hinweisen," so Michael Weißmann, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Regensburg. Die Caritas Regensburg bietet unter anderem vom 25. bis 28. Oktober zusätzlich zur ganzjährig angebotenen allgemeinen Sozialberatung ein Expertentelefon an: Im Rahmen von offenen Beratungsstunden geben die Expertinnen und Experten schnell Antworten auf Fragen zu Schulden und Insolvenz.
Fokus auf Kinder und Jugendliche
Die seit 2020 bestehenden Familienpatenschaften gehen ebenfalls in die Verlängerung. Die Caritas Regensburg unterstützt mit diesem Angebot Familien, die seit längerem in Kontakt mit der Familienberatung stehen. Hier geht es der Caritas vor allem um Unterstützung in den Bereichen Bildung, Übernahme von Kosten für soziale Teilhabe, aber auch Erholungsmaßnahmen für die gesamte Familie. Inhaltlich liegt der Fokus der diesjährigen Armutswochen auf den jüngeren Mitgliedern der Gesellschaft: Laut dem Deutschen Caritasverband galt 2019 jede vierte Person zwischen 18 und 24 Jahren als armutsgefährdet. Die Pandemie hat ihre Situation weiter verschärft: Schulschließungen und unterschiedliche Qualität des Fernunterrichts ließen schwächere Schülerinnen und Schüler teilweise noch weiter den Anschluss verlieren; viele Familien konnten ihre Kinder im Homeschooling mangels Zeit, Geld oder Sprachkenntnissen nicht angemessen unterstützen. "Die Schere zwischen Arm und Reich wird noch weiter auseinandergehen. Deshalb fordern wir eine bessere Unterstützung für diese Menschen," so Caritasdirektor Weißmann.
Auch die Berufsorientierung gestaltete sich schwierig: Ausbildungsplätze und Praktika fielen aufgrund der angespannten Wirtschaftslage weg; gestiegen sind dagegen die Sorgen und Zukunftsängste der jungen Leute, was ihre psychische Gesundheit massiv gefährdet: Fast jedes dritte Kind zeige, so der Deutsche Caritasverband, ein Jahr nach Beginn der Pandemie psychische Auffälligkeiten. Durch die lange Schließung der Kindertagesstätten fehlte ihnen ein wichtiger Bildungsort. "Lernen passiert immer auch über die soziale Umwelt sowie Freundschaften", erklärt Dr. Waltraud Lorenz, langjährige Dozentin an der Caritas Fachakademie für Sozialpädagogik in Regensburg. In ihrem Berufsumfeld der Erzieherinnen und Erzieher trifft sie täglich auf Kinder mit verschiedensten Hintergründen und hat daher einen direkten Zugang zum Thema. Wichtig sei jetzt, alle Kinder gleichermaßen zu fördern und Ausgrenzung zu vermeiden. "Es muss völlig normal werden, dass wir füreinander da sind und uns umeinander sorgen. Wir müssen klarmachen: So wie du da bist, bist du wertvoll." Das vermittelte Lorenz auch stets ihren Studierenden. Im vergangenen Schuljahr hat sie ihnen unter anderem im Rahmen eines Workshops die Problematik Kinderarmut nähergebracht.
Die Armutswochen können dahingehend ein erster Schritt sein. Papst Franziskus rief für den Welttag der Armen 2021 aus: "Die Armen habt ihr immer bei euch." Dem schließt sich die Caritas Regensburg an. Es falle oft schwer, sich in die Lage ärmerer Menschen zu versetzen, weil deren Nöte und Sorgen nicht der eigenen Lebenswirklichkeit entsprächen, es fehle der persönliche Bezug, so Diözesan-Caritasdirektor Weißmann. Er pflichtet hier Dr. Waltraud Lorenz bei, die sagt: "Man muss die Gesellschaft direkt mit dem Thema Armut konfrontieren, bei den Menschen Betroffenheit auslösen. Betroffenheit ist der erste Schritt zur Veränderung."
Weitere Informationen:
Das Expertentelefon ist von 25. bis 28. Oktober von 10 bis 12 Uhr unter der Telefonnummer 0151 / 57 31 29 01 erreichbar. Termine bei der Allgemeinen Sozialberatung können Ratsuchende ganzjährig unter der Telefonnummer 0941 / 502 11 14 vereinbaren oder die Onlineberatung nutzen.