Ein Todesfall erschüttert Familien und Angehörige meist zutiefst - im Falle eines Suizids besonders gravierend. Den Welttag der Suizidprävention am 10. September wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle Horizont auch in diesem Jahr nutzen und aufklären über das sensible und oft tabuisierte Thema.
"Viele Menschen schätzen die jährlichen Todeszahlen in Folge von Verkehrsunfällen höher ein als die Anzahl der Suizide im selben Zeitraum", so Georg Sammüller, einer der vier hauptamtlichen Psychologinnen und Psychologen vor Ort. Doch diese Annahme ist falsch: Im Straßenverkehr verloren im vergangenen Jahr 2724 Menschen ihr Leben - durch Suizid sterben Jahr für Jahr zehntausend Menschen; die Dunkelziffer noch nicht eingerechnet.
Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation betrifft der Suizid eines Menschen etwa sechs Personen aus seinem nahen Umfeld; in Deutschland sind das pro Jahr also etwa 60 000 Menschen. Angesichts dieser Zahl hat jedes Hilfsangebot große Bedeutung. "Die Trauerarbeit bei Hinterbliebenen ist anders, wenn der Tod in Folge eines Suizids eintrat", erklärt Anne Komorek-Magin, ebenfalls Beraterin bei Horizont. "Die Gefühle umfassen nicht nur Trauer, sondern auch Verzweiflung, Schuld und häufig Scham. Auch gibt es nicht auf alle Fragen immer eine Antwort, was oft schwer auszuhalten ist."
Die Regensburger Beratungsstelle Horizont, ein kooperatives Angebot von Caritas und Diakonie, unterstützt Hinterbliebene bei der Verarbeitung eines solchen Todesfalls. Je nach Situation und Bedarf bietet das Team Einzelberatung und auch zum Beispiel eine gemeinsame Beratung von Paaren an. Oberste Priorität hat dabei die individuelle Situation jedes Ratsuchenden. So können zum Beispiel mehrere Angehörige bei den vier Psychologinnen und Psychologen parallel betreut werden. Zusätzlich organisiert Horizont zusammen mit weiteren Stellen jedes Jahr am Volkstrauertag einen Gottesdienst zum Andenken an die Verstorbenen. In diesem Jahr findet der Gottesdienst am 14. November statt.
Die Beratungsstelle unterstützt Hinterbliebene, doch insbesondere auch Menschen mit suizidalen Gedanken. Doch sei es nicht immer einfach, die Angebote zu den Betroffenen zu bringen, so Sammüller. Das Thema sei oft tabuisiert und schambelastet: "Wir arbeiten daher eng mit vielen weiteren Beratungsdiensten zusammen und haben darüber hinaus in Regensburg ein großes Netzwerk gebildet, um Menschen bestmöglich zu unterstützen - egal in welcher Lebenslage."
Darüber hinaus spielt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit eine große Rolle: Es gilt weiterhin für Hilfsangebote bei psychischen Erkrankungen und Notlagen die entsprechende Aufmerksamkeit zu schaffen. "Betroffene wissen im Zweifelsfall, an wen sie sich wenden können - oder Angehörige können eine entsprechende Anlaufstelle empfehlen", so der Berater.
Angehörige könnten durchaus eine wichtige Rolle in der Suizidprävention einnehmen. Doch häufig bremse sie die Annahme, Menschen mit Suizidgedanken solle man nicht darauf ansprechen, um sie nicht erst auf falsche Ideen zu bringen. "Ganz im Gegenteil, es ist es nicht hinderlich, Betroffene darauf anzusprechen", sagt Komorek-Magin. "Natürlich sollte man nicht mit der Tür ins Haus fallen. Wenn man jedoch aus der Gesprächssituation heraus erkennen kann, dass es dem Gegenüber nicht gut geht, kann man sich vorsichtig vorantasten." Die erste Frage wäre, so die Beraterin, ob das Gegenüber suizidale Gedanken habe. Dann sollte geklärt werden, wie oft sie aufträten und ob es bereits eine konkrete Vorstellung gebe, wie der Suizid aussehen soll. In allen Fällen sollte der oder die Angehörige dem Betroffenen empfehlen sich an eine professionellen Beratungsstelle zu wenden.
"Der neutrale Blick von außen ist bei Suizidgefahr immer ratsam, denn insbesondere für Personen aus dem direkten Umfeld können solche Gespräche sehr belastend sein", erläutert Sammüller. "Fakt ist: Alleine ein Gesprächsangebot kann schon sehr viel bewirken. Wer sich das nicht zutraut, kann beispielsweise auch anbieten, die betroffene Person zu einem Termin bei einer Beratungsstelle zu begleiten und auch wieder abzuholen." Mit diesem Unterstützungsangebot, so der Psychologe, bereiteten Angehörige einem Betroffenen den Weg, damit er sich beraten lasse, und bauten ihnen damit eine Brücke zum Leben.