Niederalteich (cn). „Solidarität fällt nicht vom Himmel!“ So lautete das Motto des zweiten Forums Gemeindecaritas in der Landvolkshochschule Niederalteich. Über 130 Priester, Diakone, pastorale Mitarbeiter, Pfarrgemeinderäte und viele ehrenamtlich in Caritas und Pfarrei Tätige sind zur Fachtagung gekommen. Diese wurde gemeinschaftlich organisiert von den Diözesan-Caritasverbänden Passau und Regensburg, in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fortbildung im Bistum Passau. Der renommierte Pastoraltheologe und Franziskaner Professor Dr. Udo Schmälzle ging in seinem Vortrag der Frage nach, welchen Beitrag die Caritas für eine menschennahe Pastoral leisten kann. Am Nachmittag präsentierten sich in Foren verschiedene Vorzeige-Projekte aus Pfarreien der beiden Diözesen.
„Menschen, die auf andere angewiesen sind, haben einen kleineren und begrenzten Lebensraum“, sagte Professor Schmälzle. Für eine schwer pflegebedürftige Frau zum Beispiel sei der Lebensraum zum größten Teil auf die Wohnung oder ein Zimmer beschränkt. „Mobilitätsschwache Menschen sind auf die funktionalen Dienstleistungen und personalen Ressourcen angewiesen, die ihnen in diesem Sozialraum zur Verfügung stehen“, sagte der Münsteraner Professor. Die Lebensräume der Menschen seien unterschiedlich und dem Wandel unterworfen.
Durch diakonische Pastoral aus der Krise
Eine Diakonie im Lebensraum müsse zunächst die neuen Lebensräume wahrnehmen. Es gehe darum, für die Nöte der Menschen sensibel zu bleiben und den Menschen dabei nahe zu sein. „Die Kirche ist jedoch dabei, in den neuen pastoralen Strukturen immer weniger für die Menschen greifbar zu sein, die nicht mobil und auf die Dienstleistungen in ihrem Sozialraum angewiesen sind“. Gerade in Zeiten, wo viele von einer Kirchen- und Gotteskrise sprechen, dürfe sich die Kirche in ihren Diensten nicht auf Liturgie, Sakramentenspendung und Religionsunterricht zurückziehen. „Eine diakonische Pastoral ist für uns der Weg aus der Krise“, ist der Professor überzeugt. Wenn Kirche Nächstenliebe praktiziere und Verantwortung lebe, bilde sie ihre wahre Identität aus. Caritas gehört zum Kerngeschäft der Kirche. Dabei könne sie sich auf ein großes Potential stützen: „Menschen, die bereit sind, für den anderen da zu sein, spüren, dass ihr Leben Sinn erhält“. In fast allen Pfarrgemeinden gebe es Menschen, die sich für hilfebedürftige Menschen engagieren. Die im Verband organisierte Caritas und die Gemeindecaritas müssten zukünftig enger zusammenrücken. Pastoraltheologe und Sozialarbeiter könnten sich durch ihre Kompetenzen ergänzen. Es gehe zum einen darum, gegenseitige Vorurteile und Abwertungen abzubauen. Außerdem müssten die mittelschichtgeprägten Pfarrgemeinden ihre Berührungsängste zu anderen sozialen Zielgruppen abbauen. Für Professor Dr. Udo Schmälzle ist die Kirche in dieser Zeit nicht krank oder auf dem absteigenden Ast. Sie befinde sich in einem reinigenden Prozess der Erneuerung. Dabei werde es entscheidend davon abhängen, „wie wir Gott, sein Wort und seinen Geist, ins Spiel bringen“, so Schmälzle . Durch die Stiftung von Solidarität werde nicht zuletzt auch die Kirche glaubwürdig.
Vorzeige-Projekte aus beiden Diözesen
Am Nachmittag der Fachtagung präsentierten sich acht verschiedene Projekte, die schon einige Zeit erfolgreich in Pfarreien durchgeführt werden. Die Teilnehmer konnten dadurch viele praktische Anregungen für die Caritasarbeit zuhause mitnehmen.
Projekte aus dem Bistum Regensburg: Alleinerziehendentreff Obertraubling, Essen für Senioren und Alleinstehende in der Regensburger Pfarrei St. Paul, Hausaufgabenbetreuung der Pfarrei Neutraubling, Wallersdorfer Netzwerk e.V.
Projekte aus dem Bistum Passau: Diakonischer Kindergarten St. Raymund Breitenberg, Kümmerer in St. Oswald Freyung-Grafenau, Trauercafe im Pfarrverband Simbach/Inn, Initiative von Eltern behinderter Kinder in Hengersberg,
Initiative Gemeindecaritas im Bistum Regensburg
„Gerade das soziale Engagement von uns Christen ist das, was uns gegenüber Außenstehenden glaubwürdig macht. Oft finden Menschen durch empfangene Hilfe einen neuen Zugang zu Glaube und Kirche. Es gilt die Gemeindecaritas in unserer Diözese weiter zu entwickeln.“ So schrieb der Regensburger Bischof Professor Dr. Gerhard Ludwig Müller bereits im Jahr 2005 beim Start der „Initiative Gemeindecaritas“ im Bistum Regensburg. Vieles kann leichter und schneller getan werden, wenn sich Pfarrei und Caritasverband noch stärker miteinander vernetzten und mehr voneinander wissen. Das Feld der tätigen Nächstenliebe in der Pfarrei ist zu komplex, als dass es von einer Gruppe allein bestellt werden könnte. Die tätige Nächstenliebe als Ausweis der Christen wird in Zukunft noch notwendiger werden. Gerade die Kirche ist es ja, die zu entscheidenden ethischen Fragen eindeutig Stellung beziehe. Nicht Resignation ist deshalb angesagt, sondern im guten Sinn selbstbewusst nach vorne zu gehen.