Für mehr Gerechtigkeit
Wer hier ankommt, soll nicht lange bleiben: AnKER ist eine Abkürzung für "Ankunft, Entscheidung und Rückführung". In den Ankerzentren, die es unter diesem Namen seit 2018 in Bayern gibt, werden Schutzsuchende untergebracht, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Es ist eine Zwischenstation, bei der viel auf dem Spiel steht: Es geht um das Zurückmüssen oder das Bleibendürfen.
Einer, der sich mit Asylangelegenheiten auskennt, weil er sich seit mehr als zehn Jahren damit beschäftigt, heißt Christian Bumes: Der 38-jährige Regensburger arbeitet als Caritas-Asylberater im Ankerzentrum in Regensburg. "Ich mache das nicht, weil die Arbeit Spaß macht, sondern weil sie wichtig ist. Vieles, was den Menschen passiert, ist einfach ungerecht." Bumes studierte mit Anfang 20 Soziale Arbeit an der OTH in Regensburg, schon während des Studiums richtete sich sein Interesse auf die Themen Migration und Flucht sowie auf die Hilfe und Beratung von Geflohenen.
Im "Anker", wie das Zentrum genannt wird, sollen alle Behörden unter einem Dach arbeiten: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Sozialamt, die Ausländerbehörde. Ziel ist es, Asylverfahren zu beschleunigen; Kritiker sagen, Ziel sei es, schneller abzuschieben. In den Ankerzentren gibt es für Geflüchtete die Möglichkeit, sich beraten zu lassen - zum Beispiel bei Christian Bumes von der Caritas, Gebäude B01, erster Stock.
Bumes macht viel Aufklärungsarbeit. Nicht nur bei seinen Klienten, sondern auch in seinem Bekanntenkreis. Die meisten, "sogar Leute, die sich politisch auskennen", wüssten nicht, wie schlecht es den Geflüchteten geht. "Das Schlimmste für sie ist die Gefahr der Abschiebung. Dass man nicht anerkennt, warum sie emigriert sind." Armut und Perspektivlosigkeit im Herkunftsland gelten beispielsweise nicht als Bleibegrund.
Das Caritas-Büro im Ankerzentrum ist karg eingerichtet; mit Schreibtisch, Pinnwand, mehrsprachigen Infoplakaten und einer ausgeblichenen Weltkarte. Bumes gegenüber sitzen Menschen, die große Hoffnungen auf das Land setzen, das sie nach teils lebensgefährlichen Strapazen erreicht haben. Sie haben die Flucht durch die Wüste, über das Mittelmeer oder die Balkanländer überlebt. Sie haben es geschafft. Viele erinnern sich noch an das Selfie der damaligen Bundeskanzlerin: Es zeigt Angela Merkel mit einem Syrer in einem Flüchtlingsheim in Berlin. Das Bild wurde zum Sinnbild einer Willkommenskultur. Bumes: "Was die Schutzsuchenden dann vorfinden, ist ernüchternd."
Der Asylberater muss dann aufklären, er nennt es "stark erden": Er erläutert die Rechte und die Pflichten der Geflüchteten, informiert zum Asylverfahren und bereitet die Angekommenen auf Gespräche mit den Behörden vor, im Einzelfall vermittelt er auch Rechtshilfen. Nach einer gewissen Zeit werden die Geflüchteten weiterverteilt, nach einem festen System, dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Es geht dann in eine weitere Gemeinschaftsunterkunft, in einer Kommune, die den Menschen erneut fremd ist. Wer viel Ausdauer mitbringt, kann einen Neuanfang schaffen. Doch die Hürden sind hoch.
Dass Ankommen auch leichter gemacht werden kann, zeigt die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine. Was gerade passiert, sei für die Arbeit mit Geflüchteten ein Riesenfortschritt, sagt Bumes. Asylverfahren wurden ausgesetzt, Ukrainerinnen und Ukrainer erhalten mit der Registrierung Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt und medizinischer Versorgung. Diese Rechtslage wünscht er sich auch für die Schutzsuchenden aus anderen Ländern, "dass alle besser behandelt werden". Wenn er einen Wunsch frei hätte, dann diesen: "Dass man die Leute in Ruhe lässt und sagt: Du bist hier und das ist dein gutes Recht." Er träumt von einer globalen Gesellschaft auf einem gerechten Planeten.
Bis sich diese Utopie verwirklicht, arbeitet Bumes kleinschrittig weiter. Denn es sind viele Kniffe und Tätigkeiten, die seinen Arbeitsalltag füllen: Eins-zu-Eins-Beratung, Telefonate mit Behörden, Lesen von Länderberichten oder auch mal Recherchen für Klienten. Einmal hat er herausgefunden, dass ein schwerkranker Junge, der abgeschoben werden sollte, in seinem Herkunftsland nicht hätte medizinisch versorgt werden können. Der Junge durfte bleiben - und weiterleben.