Ramona in ihrem neuen Zimmer im Caritas Marienheim – ein beschützendes Dach für Frauen.Foto: Sonja Och
Regensburg. Ramona, 56, schmiss am 2. Mai 2022 auf einem Bahnsteig im Landkreis Regensburg ihren Ausweis in den Müll, steckte sich eine Zigarette an und wartete auf den Zug. Der Zug sollte sie nach Regensburg bringen, von dort würde es für sie weitergehen zum "Tiefpunkt ihres Lebens" - in die Caritas Notunterkunft für Obdachlose in der Landshuter Straße. "Ich dachte, die Welt geht unter. Da brauch ich keinen Ausweis mehr", erzählt sie.
Ramona hatte sich nach einem Streit von ihrem Partner getrennt. "Er wollte mich unterdrücken. Er wünschte sich ein braves Hausmütterchen", sagt Ramona. "Aber das bin ich nicht." Sie verließ den Mann und verlor ihre Wohnung. Nachbarn erzählten von der Notunterkunft der Caritas. Seit knapp drei Jahren ist Ramona nun an das Hilfesystem der Caritas angebunden.
Ramona, rote Haare, zugewandter Blick, hat zwanzig Jahre Berufserfahrung als Pflegehelferin, aber weder Schul- noch Berufsabschluss. Sie hat eine Tochter, die in Australien lebt und die sie regelmäßig kontaktiert. Sie hat eine Mutter, deretwegen sie ihren Heimatort vor 21 Jahren verließ und auf deren Beerdigung sie nicht war. Sie hat einen Vater, der alkoholabhängig war, und einen Stiefvater, der sie missbrauchen wollte, als sie zwölf war. Sie hat viele gescheiterte Beziehungen hinter sich.
Ramona sagt: "Ich habe bei der Caritas Menschen getroffen, die mir geholfen haben." Sie erfuhr am vermeintlichen Tiefpunkt ihres Lebens, was ihr noch niemand je vermittelt hatte: "Ich bin etwas wert."
Ramona beantragte einen neuen Ausweis, knüpfte Kontakte und brachte sich irgendwann sogar im Gemeinschaftsleben der Notunterkunft ein, mal beim Reinigen, mal in der Küche. "Es tut gut, eine Aufgabe zu haben", sagt sie. Bis heute ist Ramona als Ehrenamtliche bei der Frühstücksausgabe in der Notunterkunft an zwei Tagen in der Woche tätig.
Ein Jahr nach ihrer Ankunft in der Notunterkunft zog sie um: ins Haus St. Rita, eine Wohngruppe der Caritas in der Bahnhofstraße - nur für Frauen. In dem Schutzraum stabilisierte sie sich so, dass sie heute mit fester Stimme sagt: "Nie mehr mache ich mich von einem Mann abhängig." Ramona ist auf dem Weg zurück in ein eigenständiges Leben.
Nun ist sie wieder umgezogen, und zwar gemeinsam mit der Wohngruppe St. Rita in zentrale Lage in die östliche Altstadt: ins Caritas Marienheim - ein beschützendes Dach für Frauen. Es ist eine neue Einrichtung der Caritas für wohnungslose Frauen. Sie ist in ihrer Konzeption einzigartig, weil sie drei verschiedene Hilfsformen unter einem Dach vereint.
Im Erdgeschoss ist die neue (und in Ostbayern einzige) Notunterkunft für obdachlose Frauen mit 30 Plätzen. Im zweiten Stock ist die Wohngruppe St. Rita mit zehn Plätzen, einer davon gehört Ramona. Und im Stockwerk dazwischen findet die Nachsorge ihre Räume: neun Zimmer für wohnungslose Frauen, die so stabil sind, dass sie wieder eigenständig wohnen können. Sie zahlen Miete und werden bei der Job- und Wohnungssuche unterstützt. Vielleicht zieht Ramona ja bald dorthin.
ZUSATZINFO
NOAH - Die Caritas hilft Wohnungslosen
Das neue Caritas Marienheim für wohnungslose Frauen in Regensburg ist der neueste Baustein von NOAH. NOAH heißt das Programm der Caritas Regensburg in der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe. NOAH steht für niederschwelliges, ortsnahes Angebot, um Menschen zu helfen, die auch ohne festen Wohnsitz ihren Anspruch auf Heimat haben. Die NOAH-Hilfen umfassen Notunterkünfte, stationäre Wohngruppen sowie Fachberatungen und sozialpädagogische Angebote. NOAH hat das Ziel, wohnungs- und obdachlose Menschen wieder zur Teilhabe an der Gesellschaft zu befähigen.
Wohnungslose Frauen in Regensburg
In Regensburg leben mehr als 250 Menschen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Knapp ein Drittel der Wohnungslosen sind Frauen. Oft trifft eine Wohnungslosigkeit Menschen sehr plötzlich. Wer seine Arbeit verliert, krank oder süchtig wird, einen Schicksalsschlag erleidet, ist häufig nicht in der Lage, sich um seine Mietschulden zu kümmern. Bei wohnungslosen Frauen sind die Ursachen und Probleme anders gelagert als bei Männern. Frauen, die wohnungslos sind, haben sich zumeist aus Abhängigkeitsbeziehungen zu Männern gelöst, nicht selten haben sie Gewalt erlebt.
Eine Wohnungslosigkeit bei Frauen bleibt häufig verdeckt. Die Frauen kommen bei Freundinnen unter oder gehen neue Beziehungen zu Männern ein, um wieder einen Schlafplatz zu haben. In der Wohnungslosenhilfe hat sich gezeigt: Macht man diesen Frauen ein Hilfsangebot, nehmen sie dieses auch an - und bleiben nicht länger unsichtbar. Für diese Frauen gibt es in Regensburg nun das neue Caritas Marienheim - ein beschützendes Dach für Frauen.