Am Anfang standen 20 Pfennig: Die bekam Frank N. (Name von der Redaktion geändert) als Siebenjähriger von seinem Vater zugesteckt, um sie in einen Spielautomaten zu werfen. Das Blinken und Leuchten der Automatenlichter faszinierten den Jungen. Aus der kindlichen Begeisterung über drei gewonnene Freispiele entwickelte sich im Laufe der Jahre eine Sucht, die Frank N. beinahe in den Suizid trieb.
Die Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland soll künftig Spielerinnen und Spieler vor solch einer Lage bewahren. Sie beinhaltet daher einige Maßnahmen zum Spielerschutz, die auch von Experten als sinnvoll erachtet werden. Jedoch reichen diese bei Weitem nicht aus. In einem offenen Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder kritisieren der Fachbeirat bei der Landesstelle Glücksspielsucht München sowie 20 weitere Fachverbände und -gesellschaften, dass der vorgestellte Entwurf übereilt und ohne die Beteiligung von Betroffenen und Fachleuten entstanden ist.
Auch Frank N. fordert weitreichende Veränderungen an den Plänen zur Neuregulierung des Glücksspiels in Deutschland. "Es fängt schon beim Grundsätzlichen an: Im derzeit vorliegenden Entwurf ist vom natürlichen Spieltrieb die Rede. Das Spiel um Geld darf aber niemals als natürlich angesehen werden."
Als äußerst bedenklich gilt die geplante, sehr weitreichende Erlaubniserteilung für das Online-Glücksspiel. "Durch die einfache Verfügbarkeit entsteht eine besondere Gefährdung", erklärt Christian Kreuzer, Leiter der Fachambulanz für Suchtprobleme bei der Caritas Regensburg. "Eine Suchtentwicklung sowie Rückfälle werden dadurch begünstigt." Auch die Obergrenze von 1000 Euro verspielten Geldes im Monat für Online-Glücksspiele stoßen auf Unverständnis - auch bei Frank N., der seine Sucht mittlerweile überwunden hat. "Welche Familie mit zwei Kindern kann es sich leisten, 1000 Euro im Monat zu verlieren?" Aus seiner Sicht muss die Grenze drastisch gesenkt werden, um überhaupt einen Schutz vor dem finanziellen Ruin zu bieten.
Unter bestimmten Voraussetzungen soll laut dem neuen Staatsvertrag künftig auch Werbung für Glücksspiel im Internet gestattet sein. Auch hier ist sich der ehemalige Glücksspieler mit den Experten einig: Diese Lockerung gefährdet insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene. Die Illusion von schnellen Gewinnen wird gestärkt, das Glücksspiel als normal und harmlos dargestellt. " Die Suchtgefahr wird heruntergespielt", mahnt Frank N. Besonders kritisch sieht er Werbeversprechen wie z.B. ‚Zehn Euro zahlen, für fünfzig Euro spielen’: "Der Anreiz für Suchtgefährdete ist hier viel zu groß. Sie werden verleitet, immer mehr zu spielen."
Unter den vorgesehenen Präventionsmaßnahmen der Neuregelung finden sich auch Spielersperren. Die erachten die Fachleuchte aber als zu kurz gegriffen. "Die Genesung von einer Glücksspielsucht nimmt mehrere Jahre in Anspruch", erklärt ein Experte. "Sperren von drei Monaten oder einem Jahr reichen da nicht."
Grundsätzlich gilt in den Augen der Unterzeichner des Briefes, dass Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel nicht auf Kosten von Einzelschicksalen erfolgen dürfen. Sie fordern daher, den bisher gültigen Staatsvertrag zu verlängern und länderübergreifend eine gemeinsame Glücksspielbehörde aufzubauen. Gleichzeitig muss ein verbesserter Staatsvertrag entwickelt werden - unter der Beteiligung von Betroffenen und Experten, um fundierte Erkenntnisse aus der Suchtforschung in der Praxis umsetzen zu können.
Weitere Informationen:
Den offenen Brief der Fachverbände können Sie hier lesen: https://www.gluecksspielsucht.de/files/fags-brief-mp-10.03.2020_aktuell.pdf.