Samstagmorgen um sechs Uhr auf Gleis Eins des Regensburger Hauptbahnhofs: Die Blasmusik spielt. Vom rot-blauen Zug lacht die aufgeklebte Sonne mit Sonnenbrille. Alles startbereit in Richtung Garmisch-Partenkirchen. Viele Helfer von Caritas und Malteser laufen geschäftig auf dem Bahnsteig hin und her. Zahlreiche ältere Menschen kommen teilweise mit Rollstühlen und Gehhilfen zu den sechs Waggons. Gruppen von jüngeren Leuten steigen aus Kleinbussen und lassen sich den Weg zu ihren Plätzen im Zug zeigen. Es ist endlich wieder Sonnenzug! Ein Tag Urlaub für Menschen, die sonst kaum oder gar nicht reisen können.
Oberbürgermeister Hans Schaidinger, Landtagsabgeordneter Dr. Franz Rieger und die Gewikiner Buam aus Niedergebraching verabschiedeten die Gäste. Pünktlich um 6.21 Uhr ertönte das Signal zur Abfahrt. 303 Teilnehmer, 25 davon mit Rollstühlen und 96 Helfer von Caritas und Malteser Hilfsdienst saßen im Sonderzug nach Garmisch-Partenkirchen. Zum 43. Mal hat der Diözesan-Caritasverband Regensburg den Sonnenzug organisiert. Eingeladen waren Menschen mit und ohne Behinderung, denen es nicht so leicht möglich ist, eine Reise zu unternehmen. Viele von den Gästen sind pflegebedürftig. Mit dabei waren wie immer drei Ärzte. Sie und die Malteser leisteten Hilfe, beim Ein- und Aussteigen ebenso wie bei kleinen Problemchen, die bei einer Reise auftreten können.
Begegnung und Unterhaltung
"Es ist jedes Jahr wieder schön, Leute zu treffen, die schon seit Jahren beim Sonnenzug unsere Gäste sind. Viele von ihnen freuen sich das ganze Jahr darauf, weil sie hier aus ihrem Alltag herauskommen. Für einige ist das der einzige Tag, an dem sie reisen können", berichtet Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Piendl nach seiner Begrüßungsrunde durch den Zug. Persönlich hat er jeden mit Handschlag begrüßt. Beispielsweise die 93-jährige Karolina Frommholz, die strickend aus dem Fenster schaut. Sie lebt im Caritas Alten- und Pflegeheim Friedheim in Regensburg. Auf die Fahrt hat sie sich riesig gefreut: "Mein Mann und ich haben nie gemeinsam Urlaub machen können, wir mussten zu viel arbeiten und hatten nicht so viel Geld", sagte die Dame. Zum zweiten Mal ist sie jetzt dabei und ist gespannt auf den Anblick der oberbayerischen Berge.
Vier Stunden dauerte die Fahrt nach Garmisch-Partenkirchen. Das "Sonnenzug Quintett" verkürzte die Zeit, sie gingen durch jeden Waggon und spielen zünftig auf. Das reizt einige sogar zu einem Tänzchen, wenn der Zug kurz hält sogar auf dem Bahnsteig. Auch die ehemalige Regensburger Bürgermeisterin Hildegard Anke wurde vom Direktor des Kinderheims St. Leonhard Regensburg Christian Braun zum Tanz gebeten. Vergangene Woche feierte Anke ihren 90. Geburtstag. Trotzdem ist es eine Selbstverständlichkeit für sie, beim Sonnenzug mitzufahren und tatkräftig zu helfen. Sie ist eine von wenigen, die alle Sonnenzüge mitgemacht haben.
Mitte des Tages: Heilige Messe in Garmisch
Kurz vor Garmisch-Partenkirchen gießt es draußen wie aus Kübeln: Aprilwetter in den Bergen. In Garmisch angekommen muss daher die Messe im Kongresshaus stattfinden, geplant war sie zunächst im Freien. In der Predigt sagt Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Piendl: "Maria zeigt uns in ihrem großartigen Magnifikat, dass wir uns nicht selbst in den Mittelpunkt setzen dürfen. Im Zentrum steht der Dienst am Menschen. Nicht wir selbst sollen uns groß machen, sondern unser Handeln vergrößert die Ehre Gottes." In Konzelebration mit Direktor Christian Braun schuf Piendl im Gottesdienst eine Mitte des Tages, die sowohl Helfern als auch Gästen zeigte, worum es beim Sonnenzug geht: "Wir müssen uns immer den Blick für den Menschen neben uns bewahren."
Musik, gutes Essen, Bauerntheater und BMW-Motorräder
Musikalisch begleitet von Sonnenzug-Quintett genossen die knapp 400 Gäste Schweinebraten mit Knödel im Kongresshaus. Ein weiterer heftiger Regenschauer verkürzte den Verdauungsspaziergang im Michael-Ende-Kurpark und im Markt Garmisch. Doch Geduldige konnten kurze Zeit später bei Sonnenschein den Schnee auf den Garmischer Bergspitzen bewundern. Verschiedene Kuchen und Kaffee warteten außerdem auf die Gäste. Das Bauerntheater Weinberger spielte für die Sonnenzügler eine amüsante Verwechslungskomödie. Ein ungeplantes Ereignis überraschte auf dem Rückweg zum Bahnhof: An diesem Samstag waren auch 35.000 BMW-Motorrad-Fahrer nach Garmisch gekommen. Viele von denen kreuzten den Weg der Sonnenzügler. "Das erinnert mich an meinen Mann. Der hat mich in unserer Jugendzeit immer mit dem Moped kutschiert", sagt eine Teilnehmerin spontan.
Vom Rollstuhl bis zur Alufolie: Alles hat geklappt
"Ich bin sehr froh, dass alles wieder ohne größere Schwierigkeiten geklappt hat. Unsere Gäste haben viel erlebt", sagte Brigitte Weißmann, Chef-Organisatorin des Sonnenzugs. Dass diese Reise reibungslos abläuft, Essen und Trinken im Zug ausreicht und alle gesund zurückkommen, liegt ihr sehr am Herzen. Die vier Helfer des Technischen Dienstes rund um Rudolf Riepl hatten alle Hände voll zu tun: 1000 Semmeln, 500 Paar Wiener und 400 Portionen Aufschnitt, 120 Getränkekisten, literweise Kaffee und Tee; vom Rollstuhl bis zur Alufolie für die übergroße Brotzeitportion, nichts hat gefehlt. Es war für die Helfer ein langer Tag. Bereits um 2.30 Uhr morgens ging es los, gegen 22.00 Uhr waren alle wieder zuhause. Am Bahnsteig gab es abends trotz des Aprilwetters nur glückliche Gesichter: "Bis nächstes Jahr!", rufen sich Helfer und Gäste zu. Und die Freudentränen des Himmels sind bereits wieder Geschichte.
Allgemeine Infos
Seit 1971 gibt es den Sonnenzug der Caritas, damals noch "Fahrt in den Frühling" genannt. Von Anbeginn an stand die Idee der Begegnung im Mittelpunkt: Begegnung von Jungen und Alten, Behinderten und Nichtbehinderten, Gesunden und Kranken. Medienpartner sind die Mittelbayerische Zeitung und die Katholische Sonntagszeitung für das Bistum Regensburg. Der Sonderzug wird über Spenden und Patenschaften finanziert. Die knapp 100 Helfer arbeiten ehrenamtlich. Bereits zum zehnten Mal arbeitet die Caritas mit der Firma Bahntouristik Express zusammen, wobei die Firma den Sonderzug zum Selbstkostenpreis stellt. Für finanzschwache Teilnehmer ist eine verbilligte Reise möglich.